Donnerstag, 19. Oktober 2006

Beschwerdebrief statt Zahnschmerzen

karius
Mir scheint, ich bin einem großen Irrtum verfallen. Spätestens seit gestern hat meine Einschätzung über das Wohnen in einem Mehrfamilienhaus sich grundlegend verändert.
Als ich vor knapp einem Jahr hier eingezogen bin, machte ich mir Sorgen, weil ich wusste, dass direkt über, schräg über und neben mir Menschen wohnen, von denen die meisten schon weit über 60 Jahre alt sind. Ich fragte mich, wie es wohl sein wird, wenn ich Leute einlade, wenn die Musik mal etwas lauter als auf Zimmerlautstärke ist; und vor allem dachte ich an den Sommer, der kommen sollte. Es hatten sich immerhin schon ein paar Menschen angemeldet, meinen Balkon nutzen zu wollen und jedem ist klar, dass Besuch auf dem Balkon eine nicht gerade geringe Geräuschkulisse mit sich bringt.
Also bereitete ich mich mental auf erste Beschwerden vor. In meiner Vorstellung standen alte Männer und Frauen frühmorgens aufgebracht vor meiner Tür, die ich mit Bierfahne und dicken Augen öffne.
Irgendwann legte ich auf Rat anderer meine Ängste ab und begann damit, in meiner Wohnung Abende mit Playstation Singstar zu organisieren. Gerade bei diesem Spiel ist ja der entstehende Lärm das geringere Übel. Hinzu kommen ja die plärrenden und schiefen Gesangseinlagen und eine Menge lautes Gelächter. Auch im Sommer lud ich Freunde ein und sammelte leere Bierflaschen in meiner Küche. Zu meinem großen Erstaunen passierte gar nichts. Ich wurde weiterhin gegrüßt. Meine Nachbarn nahmen meine Pakete an und unterhielten sich sogar ab und zu mit mir. Lediglich ein Gespräch mit der Nachbarin aus dem 3. Stock führte auf die Bitte hinaus, nachmittags nicht so laut auf dem Balkon zu sein, weil sie gerade verwitwet sei und genau zu dieser Zeit immer ein Schläfchen auf dem Balkon hält. Für ihre Lage brachte ich Verständnis aus und bat „meine Freundin mit der hohen Stimme“ (so nannte sie den Besuch, der ihr den Schlaf raubte), etwas leiser zu sein.
Mein Nachbar klingelte sogar bei mir als die Kohlewerke brannten, damit ich nicht auf einmal giftige Gase in der Wohnung habe, nur weil ich kein Radio höre.
Vor ein paar Wochen stellte sich Katharina vor meiner Tür als neue Nachbarin vor. Ich schätze sie auf 29 und sofort in den ersten Tagen hörte ich von ihrem Balkon bis tief in die Nacht laute Stimmen und Gelächter. Ich freute mich, dass ich anscheinend eine Nachbarin hatte, die meine Sorgen in Bezug auf meine eigene Lautstärke verringerte und wähnte mich in Sicherheit.
Aber gestern passierte das Unglaubliche.
Als ich aus der Uni kam klebte ein Beschwerde-Post it an meiner Wohnungstür, verfasst in einer so unverschämten Formulierung, dass ich direkt wütend wurde.
brief
Sofort fühlte ich mich von dem Brief angegriffen. Was will sie damit ausdrücken, dass ich Studentenpack bin, dass ich nicht arbeite, dass ich jeden Tag bis 12 Uhr schlafen kann? Vielleicht ist sie auch einfach nur neidisch, weil sie nicht studiert? Ich bin mir nicht sicher, aber ich weiß, dass der Brief bösartig ist, sie wollte mich angreifen.
Angestrengt überlegte ich, was ich überhaupt am Abend zuvor gemacht hatte. Mir viel nichts ein. Ich hatte Besuch bis 23 Uhr und das einzige, was wir etwas lauter gehört haben, war ein Hörspiel, es war „Karius und Baktus“, mein Lieblingshörspiel.
Ich musste Lachen als ich überlegte, dass diese 20 Minuten Kinderhörspiel sie in solche Rage versetzen können. Dabei scheint sie ja in Bezug auf Umgangsformen noch auf dem Niveau eines Kindes zu sein, wer sonst duzt den Nachbarn, bei dem er sich mit einem solchen Brief beschwert?
Ich werde wohl an meinem Verhalten nicht allzu viel ändern, da ich keinen Grund sehe, nach zehn keine Kassetten mehr zu hören. Allerdings habe ich jetzt eine Nachbarin, die nicht mehr grüßt. Gestern bin ich ihr begegnet und sie hat mich angeblinzelt als wollte sie mich schlagen.
Vielleicht hat ihr mein Hörspiel einfach Zahnschmerzen bereitet oder sie ist der lebende Beweis dafür, dass man mit knapp 30 doppelt soviel Oma sein kann wie mit 60 und, dass man sich in Menschen gewaltig täuschen kann.

Wer?

Da ich leider noch nie fähig war, mir ein Profil zu erstellen, mit dem ich einem fremden Menschen verständlich machen kann, was ich für ein Mensch bin, fällt das auch hier weg. Allerdings musste ich hier irgendwas reinschreiben, das ist so vorgegeben. Na gut: Studentin (Geschichte, Germanistik), wohnhaft in Münster. Alles weitere kann man vielleicht aus den nebenstehenden Texten erschließen.

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